Veranstaltung: | Landesdelegiertenkonferenz 23.09.2023 |
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Tagesordnungspunkt: | 11. Verschiedene Anträge (V-Anträge) |
Status: | Beschluss |
Beschluss durch: | Landesdelegiertenkonferenz LV MV |
Beschlossen am: | 23.09.2023 |
Antragshistorie: | Version 3 |
Digitale Souveränität und Freiheitsrechte sichern
Beschlusstext
Zur Sicherung der digitalen Souveränität und der Freiheitsrechte der
Bürger*innen fordert Bündnis 90/Die Grünen Mecklenburg-Vorpommern die
Landesregierung auf:
- Aufklärung über die Risiken und Folgen der Nutzung von Informationstechnik
in die Lehrpläne aufzunehmen. Dabei müssen auch Lehrkräfte zum
Unterrichten der entsprechenden Themen befähigt werden.
- Medienkompetenz innerhalb der Bevölkerung mit Programmen konsequent und
nachhaltig zu fördern. Besonderes Augenmerk sollte dabei auf die
Überprüfung der Echtheit von Informationen und die Folgen einer achtlosen
Nutzung und Verbreitung gelegt werden. In diese Strukturen sollte auch die
Landeszentrale für politische Bildung einbezogen werden.
- Den Wirtschafts- und Wissenschaftsstandort Mecklenburg-Vorpommern
hinsichtlich Digitalisierung zu fördern und attraktiver zu machen. Der
Stellenwert von IT-Unternehmen in öffentlicher Hand muss verbessert
werden. IT-Fachkräfte müssen im Land gehalten werden.
- Freiheitsrechte der Bürger*innen, wie z. B. das Recht auf informationelle
Selbstbestimmung und Transparenz bei Digitalisierungsvorhaben, mehr als
bislang in den Vordergrund zu stellen.
- Den Landesbeauftragten für Datenschutz und Informationsfreiheit personell
adäquat auszustatten.
- Verpflichtende IT-Sicherheitsstandards, die sich am Stand der Technik und
der Bedrohungslage orientieren, zur Sicherstellung eines vergleichbaren
und angemessenen Sicherheitsniveaus für alle Behörden auf Landesebene zu
etablieren. Dies sollte durch ein IT-Sicherheitsgesetz untermauert werden.
- Den Einsatz von Open Source zu beschleunigen, um die langfristige
Abhängigkeit von Firmen, Organisationen und Staaten aufzulösen und eine
breite Beteiligung zu ermöglichen.
- Auf den Einsatz von zweifelhaften und unwirksamen Methoden wie die
Quellen-Telekommunikationsüberüberwachung, welche die Freiheit und
Sicherheit der Bürger*innen gefährdet, zukünftig zu verzichten.
Darüber hinaus fordert die Landesdelegiertenkonferenz den Landesverband auf:
- Die Arbeit zwischen den Landesarbeitsgemeinschaften, dem Landesvorstand,
der Landtagsfraktion, den Bürgerschaften und Stadtvertreter*innen zu
intensivieren und zu fördern, um eine bereite fachliche Beteiligung an
wichtigen (digitalpolitischen) Themen zu ermöglichen.
- Die Landesgeschäftsstelle zum Vorbild hinsichtlich Datenschutz zu machen
und hierfür eine*n hauptamtliche*n Datenschutzbeauftragte*n zu benennen,
die*der alle Geschäftsstellen auf Landes- und Kreisebene berät, um
Datenschutz sowie IT-Sicherheit wirksam und sichtbar nach innen und außen
im Aufgabenportfolio der Landesgeschäftsstelle zu verankern.
Begründung
Digitalisierung ist ein unverzichtbarer Teil unseres Lebens geworden. Der Einsatz von IT hat sich in den letzten Jahrzehnten in nahezu alle Lebensbereiche ausgeweitet und ist in der Zwischenzeit nicht mehr wegzudenken. Ohne Digitalisierung werden wir die zukünftigen Herausforderungen nicht bewältigen können. Wir sind also mehr denn je auf diese Technologie angewiesen. Sie sichert uns Wohlstand, hat Prozesse erheblich vereinfacht und ist für uns Bündnisgrüne unverzichtbar im Kampf gegen den Klimawandel. Und sie schreitet mit hoher Geschwindigkeit voran.
Doch der Einsatz dieser Technologie birgt auch ernstzunehmende Risiken. Sie kann dazu genutzt werden, um Informationen über uns zu erhalten, aber auch vorzuenthalten. Ebenso können damit Meinungsbilder durch gezielte Botschaften beeinflusst werden. Da der öffentliche Diskurs gerade junger Menschen immer mehr über das Internet geführt wird, stellt dieses Problem zunehmend eine nicht zu unterschätzende Gefahr für die Freiheit und Demokratie dar.
Die eingesetzten Algorithmen zur Wichtung von relevanten Informationen und Entscheidungen, die aufgrund gesammelter Wissensdatenbanken getroffen werden, sind für die Nutzenden längst nicht mehr nachvollziehbar. Für große Teile der Gesellschaft sind die Prozesse nicht mehr transparent genug, um die Folgen ihrer Nutzung angemessen abschätzen zu können. Damit ist ein mündiger Umgang mit IT kaum möglich.
Sogenannte „Dark Pattern“, also Bestandteile von Anwendungen, die darauf abzielen, Nutzende zu bestimmten Handlungen zu verleiten, die deren Interessen entgegenlaufen, nutzen diese Situation sogar noch aus. Hinzu kommen Hassreden, die sich auch unter Zuhilfenahme von sogenannten „Troll-Armeen“ und „Fake Accounts“ millionenfach verbreiten.
Zu digitaler Souveränität zählt auch die Souveränität über die eigenen Daten. Diese Souveränität wird durch die massenweise Verarbeitung von Daten, nicht zuletzt durch die großen Technologiefirmen in den USA gefährdet. Es ist derzeit noch nicht völlig klar, wie weitreichend die Auswirkungen aus dem sorglosen Umgang mit diesen Daten sind. Die Folgen können vielfältig sein. Sie reichen vom Ausschluss bei Krediten und Versicherungen über Identitätsdiebstähle bis zur staatlichen Repression, wie sie heutzutage schon von autoritären Regimen praktiziert werden. Aber sie können in den falschen Händen auch hierzulande massive Folgen für die Bürger*innen haben.
Das informationelle Selbstbestimmungsrecht wurde schon vom Bundesverfassungsgericht im sogenannten Volkszählungsurteil 1983 als Grundrecht anerkannt. Doch es wird trotz DSVGO immer noch zu wenig für den Datenschutz getan.
Angriffe auf die IT-Systeme der öffentlichen Verwaltung sind keine Seltenheit mehr. Der Cyberangriff auf den Landkreis Anhalt-Bitterfeld im Jahre 2021 kostete die Verwaltung nach ersten Schätzungen 2 Millionen Euro. 210 Tage dauerte der Katastrophenalarm. Nach Feststellungen des Landkreises sind dadurch 63 GB an Daten abgeflossen. Und dennoch wird diesen Bedrohungen immer noch nicht die gebotene Aufmerksamkeit geschenkt und die richtigen Schlüsse gezogen, um adäquate Maßnahmen zum Schutz digitaler Infrastrukturen zu forcieren.
Zudem wird sich der Mangel an IT-Fachkräften zunehmend negativ auf die Implementierung entsprechender Maßnahmen zur Sicherheit von Fachanwendungen und IT-Infrastruktur auswirken.
Digitalisierung muss nutzbringend für Mensch und Umwelt sein. Sie muss im Verhältnis zu den Risiken stehen, die durch ihre Nutzung eingegangen werden. Daher fordern wir als LAG dieses breite Maßnahmenpaket, um den Bedrohungen effektiv und nachhaltig zu begegnen.
Als Partei, die sich für die Freiheitsrechte von Bürger*innen einsetzt sollten wir daher auch mit gutem Beispiel vorangehen und uns unsere eigenen Forderungen zum Ziel machen.